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Titel
Die Sepharden. Geschichte und Kultur der spanischen Juden


Autor(en)
Bossong, Georg
Reihe
C. H. Beck Wissen in der Beck’schen Reihe
Erschienen
München 2008: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
128. S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Rudolf Bolzern

Vom Zürcher Romanisten liegt seit letztem Jahr eine konzise und dennoch facettenreiche Darstellung der Geschichte der Sepharden vor. Der Untertitel «Geschichte und Kultur der spanischen Juden» verdeutlicht die zentrale Bedeutung, die der Iberischen Halbinsel (hebräisch «Sefarad») für die Entwicklung der jüdischen Weltgemeinschaft zukam. Folgerichtig ist inhaltlich fast die Hälfte des Werkes der Entfaltung der Juden in Spanien bis zu ihrer Vertreibung 1492 gewidmet, bevor auf die Auffächerung der sephardischen Diaspora in der Frühen Neuzeit bis hin zur Situation der Sepharden in der heutigen Zeit eingegangen wird. Das muslimische Spanien bildete den politisch günstigen Rahmen, in dem das sephardische Judentum in Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft im 10. Jahrhundert Spitzenleistungen hervorbrachte. Die Auseinandersetzungen mit dem christlich dominierten nördlichen Teil Spaniens und das Einströmen fundamentalistisch-islamistischer Bevölkerungsgruppen aus Nordafrika setzten dem friedlichen Zusammenleben zwischen Muslimen und Juden um 1100 stark zu; seit Mitte des 12. Jahrhunderts verlagerte sich der Schwerpunkt des sephardischen Judentums in das christliche Spanien. Auch hier erfreuten sich die Juden zuerst freier Religionsausübung und grosser Bewegungsfreiheit in ihren Tätigkeiten, den Königen dienten sie als Diplomaten, Ärzte, Dolmetscher und Steuereinnehmer. Ab Mitte 14. Jahrhundert potenzierten sich die Feindschaft seitens der Kirche sowie soziale Unzufriedenheit unter den christlichen Spaniern und verdichteten sich zu einem von Gewaltanwendung begleiteten, übergrossen Druck auf die Sepharden, der viele von ihnen in die Konversion trieb. Damit begann die tragische Entwicklung, dass unter Zwang bekehrte Juden insgeheim immer noch ihrer althergebrachten Religion anhingen und sich in der Spaltung von «alten» und «neuen» Christen, als Scheinchristen betrachtet, ein Kryptojudentum herausbildete. Die Vertreibung der Sepharden 1492 stellte für diese die grosse existentielle Katastrophe dar, mit der Eliminierung einer wirtschaftlich und kulturell so bedeutenden Volksgruppe fügte der willkürliche Entscheid der Katholischen Könige aber auch dem spanischen Staatswesen grossen Schaden zu.

Nach der Zwischenstation Portugal suchten die Sepharden einerseits Zuflucht in den Niederlanden (v.a. in Amsterdam), in Deutschland und England, andererseits in Italien und in noch grösserem Umfang im Osmanischen Reich. Aufgrund der gebotenen Kürze des Buches können vom Autor höchst interessante und relevante Feststellungen nur vermerkt, aber nicht weiter begründet werden, z.B. der Hinweis auf die massgebliche Beteiligung der sephardischen Juden an der Entwicklung der neuzeitlichen globalen Weltwirtschaft. In den Ausführungen zur judenspanischen Literatur und Sprache im Osmanischen Reich manifestieren sich die spezialisierten philologischen Kenntnisse des Verfassers in hohem Masse.

Die Literaturhinweise erfassen Werke bis 2006. Nicht mehr berücksichtigt werden konnte somit das 2008 erschienene Werk von Corry Guttstadt über «Die Türkei, die Juden und der Holocaust», das das Schicksal der nach der Gründung der türkischen Republik 1923 in grosser Zahl nach Westeuropa emigrierten türkischen Sepharden erhellt, die dem Rassenwahn des Nazismus zum Opfer fielen.

Zitierweise:
Rudolf Bolzern: Rezension zu: Georg Bossong: Die Sepharden. Geschichte und Kultur der spanischen Juden (C. H. Beck Wissen in der Beck’schen Reihe). München, Verlag C. H. Beck, 2008. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 59 Nr. 3, 2009, S. 381-381.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 59 Nr. 3, 2009, S. 381-381.

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